Inhalt
Datum: 14.06.2015

Wetter und sein Untertor

Vom Mittelalter bis heute

Das besonders honorierte Motiv im Grenzegang 2015

Für viele Wetteraner ist es das sichere Zeichen dafür, dass der Grenzegang nun wirklich unmittelbar bevorsteht: Der Aufbau des Untertores an der Wetschaftsbrücke. In diesem Jahr ist es am 19. und 20. Juni soweit und zeigt damit deutlich: Es ist bald Grenzegang! In diesem Jahr steht das Tor besonders im Mittelpunkt: Können wir doch schon seit dem Maimarkt eine künstlerische Umsetzung einer historischen Stadtansicht mit Untertor von den Kunstfreunden Wetter auf einer Betonwand im Stadtkern bewundern, oder sehen das Tor auf dem Pin, der zusammen mit den Eintrittsbändchen als Dauerkarte ausgegeben wird.


Das Untertor als Handelseinfahrt im Mittelalter

Weder die Position des Untertores noch seine besondere Symbolkraft sind dabei zufällig, sondern spiegeln seine historische Bedeutung. Bekanntlich hat Wetter seinen Namen von dem keltischen Wort wedra für „Wasser“ und dem chattischen Wort aha für „Bach“. Als dieses Wetrehen, gleich „Ort an dem Wasserbach“ erscheint unsere Stadt dann schon 850 in einer Urkunde aus dem Kloster Fulda. Seine Bewohner und die der Umgegend heißen in lateinischer Form „Wedrecii“, die Papst Gregor III im Jahr 738 dem Bonifatius u.a. als Missionsgebiet anwies. Entscheidend ist, dass genau bei diesem Wetrehen eine Furt war, über die die Gespanne der reisenden Händler sicher das Wasser überqueren konnten. Drei wichtige Straßen kreuzten sich hier: Die alte Wein- (eigentlich: Wagen)Straße, ein Fernhandelsweg von Frankfurt nach Bremen. Sodann die Salzstraße, die von den Salzstätten an der Werra durch den Burgwald und über Siegen bis zum Mittelrhein führte. Schließlich die Querverbindung, die die Grafensitze Battenberg und Kirchhain miteinander verband. Sie alle fuhren an Wetter vorbei und durch es hindurch und bildeten durch die Abgabe von Zöllen die Basis für den wirtschaftlichen Aufstieg des fränkischen Marktfleckens Wetter.

Stadttore als erste Stadtbefestigung

Ein Tor, das den Eintritt in diese Stadt regelt, ist natürlich immens wichtig, allerdings erst dann notwendig, wenn die Stadt durch eine Mauer geschützt ist. Wetter war noch im sog. Sternerkrieg (1372-74) eine „offene Stadt“ ohne Mauer. Da es Berichte gibt, die Mauer sei in einer Fehde 1420 schon durchbrochen worden, wird sie Ende des 14. Jh.s gebaut worden sein. Allerdings wird das sog. „Rospher Tor“, das spätere Untertor, bereits in einer Urkunde von 1301 erwähnt. Damit wurde wohl schon lange vor dem Bau der herzförmigen Mauer die Stadt in Nord-Süd-Richtung durch das Unter- und Obertor durchschritten, in westlicher Richtung durch das Mönchtor (erstmals 1528 erwähnt) Richtung Todenhausen verlassen; die Äcker und Felder in südwestlicher Richtung erreichte man durch die Gux-Pforte. Auch den Bereich des Kanonissenstiftes wird man durch eine Stiftspforte betreten haben können. Wir haben uns unter diesen Toren Holzkonstruktionen vorzustellen, die zwischen Erdwällen und Palisaden eingearbeitet waren, bevor Mauerwerk die Stadt komplett umschloss.

Wie sah das historische Untertor aus? Da leider kein Bild von dem Aussehen überliefert ist, wir sind auf Rekonstruktionen angewiesen. Das Bild von den Kunstfreunden Wetter und der Grenzegangs-Pin zeigen einen rechteckigen Bau, der die Tordurchfahrt aufnimmt. Darauf befindet sich ein in Fachwerk ausgeführter einstöckiger Aufbau mit Walmdach. Diese Darstellung könnte auf die Bauzeichnungen aus dem 19. Jh. zurückgehen, die Renovierungsarbeiten am Tor dokumentieren. Älter sind die historischen Stadtansichten, die von Wilhelm Dillich und vor allem Merian aus dem 17. Jh. erhalten sind.

Sie zeigen ebenfalls einen rechteckigen Bau mit Tordurchfahrt, allerdings mit gemauertem zweistöckigem Aufbau und Walmdach sowie spitzem Turmhelm. Die wahrscheinlich älteste Darstellung verdanken wir allerdings einem Zufall: Im Jahre 1577 stritten sich die Ämter Battenberg und Wetter um die Rechte an den zahlreichen Mühlen im Wetschaftstal. Eine schematische Federzeichnung, die zur Veranschaulichung der örtlichen Gegebenheiten angefertigt wurde, zeigt als markantesten Punkt der Stadt das Untertor: einen schlanken Mauerbau mit aufgesetzem spitzen Turmdach und drei kleineren Türmen, analog der Stiftskirche. Auch wenn man aus derlei schematischen Gelegenheitszeichnungen nicht unbedingt auf historische Genauigkeit schließen darf, ergibt sich durch diese Zeichnung doch ein Hinweis auf das mögliche Aussehen des Untertors in der Zeit vor dem verheerenden Brand von 1649, der fast die gesamte Stadt zerstört hat.

Erster Nachbau zum Grenzegang 1924

 

Es ist nicht belegt, wieso man auf den Gedanken kam, dass spätestens im Laufe des 19. Jh. völlig abgetragene Untertor zum Grenzegang wieder aufzubauen. Erstmals ist dies im Jahr 1924 geschehen. Damals verwirklichte man das Tor als einfachen rechteckigen Bau aus verschiedenen Bauhölzern, die mit Nadelholzzweigen verkleidet wurden. Von Anfang an wurden die beiden Wappen von Mainz und Hessen, die die historische Doppelherrschaft über Wetter dokumentieren, am Tor angebracht. Seitdem grüßt das Tor alle, die zum Grenzegang in unsere Stadt kommen. Im Jahr 1987 ist das bis dahin immer neu errichtete Holzgerüst durch eine Stahlkonstruktion ersetzt worden, die mit bemalten Holzplatten verkleidet ist; die Wappen von Mainz und Hessen sind geblieben und werden auch in diesem Jahr, nun schon zum fünften Mal, aufgebaut.

Aufbau am 19. und 20. Juni 2015

Wenn also ab dem kommenden Wochenende an der Wetschaftsbrücke der Nachbau des Untertores zu sehen sein wird und das Grenzegangsfest somit in greifbare Nähe rückt, ist das nicht nur Ausdruck der Vorfreude auf unser großes Heimatfest, sondern auch ein Zeichen für die überaus reiche Geschichte unserer Heimatstadt.

Dr. Martina Kepper